200 Leute bei Demo gegen Rechtsruck im Osten

Heute haben wir mit dem Bündnis Stuttgart gegen Rechts eine Kundgebung und Demonstration in der Stuttgarter Innenstadt organisiert, um uns mit den antifaschistischen Kräften in Brandenburg und Sachsen zu solidarisieren. Sie sind dort tagtäglich mit rechten Umtrieben konfrontiert und halten dagegen.

Wir haben in der Stadt diesen Text verteilt, um aufzuklären:

Ostdeutschland hat ein rechtes Problem?

Es wird immer behauptet nur der Osten hätte ein rechtes Problem und ja, schaut man sich zum Beispiel die aktuellen Wahlergebnisse der Landtagswahlen in Sachen und Brandenburg an, fällt es schwer etwas anderes zu behaupten. Sowohl in Sachsen (27,5%), als auch in Brandenburg (23,5%) wurde die AfD zweitstärkste Kraft: In Sachsen sitzen zukünftig auf 32% (38 von 119) der Stühle im Landtag AfD’ler und in Brandburg 26% (23 von 88). Doch der gesellschaftliche Rechtsruck zieht sich durch die gesamte BRD, aber warum ist die AfD im Osten um einiges stärker als in Westdeutschland?

Warum ist die AfD im Osten so stark?

„Es gab keinen Mob, keine Hetzjagd und keine Pogrome“, das sagte der sächsische Ministerpräsident Kretschmer (CDU) zu den rechten Aufmärschen 2018 in Chemnitz. Rechte Aktivitäten und Strukturen zu leugnen hat in Sachsen Tradition: Seit der „Wiedervereinigung“ regiert die CDU in Sachsen und leugnet beispielsweise mit Aussagen, dass Sachsen „immun gegen Rechtsextremismus sei“ (Karl Biedenkopf – CDU) rechte Aktivitäten und ermöglichte damit auch ein Erstarken der AfD. So sind die 30 Jahre kapitalistisches System und die damit verbundene Politik die Wurzel einer starken AfD in Ostdeutschland.

Die DDR war nicht in der Lage ein sozialistisches und antifaschistisches Weltbild in der Bevölkerung breit und konsequent zu vermitteln und ermöglichte damit, vor allem nach dem Zusammenbruch der DDR ein Aufkeimen rechten Gedankengutes. Die Einverleibung der DDR in die BRD verschlimmerte die Situation massiv. Mit dem damaligen Großprojekt eines „wiedervereinten“ Deutschlands, in dem es allen gut bzw. besser gehen sollte, wurde ein Nationalismus beflügelt und gefördert, der seit 1945 gesellschaftlich verpönt war. Doch das Versprechen eines besseren Leben im „wiedervereinigten“ Deutschland erfüllte sich für die ostdeutsche Bevölkerung nicht: Es gab keine aufblühende Wirtschaft, sondern Betriebe wurden geschlossen und die Arbeitslosenzahlen stiegen massiv an – die BRD kaufte die „neuen Bundesländer“ gnadenlos auf. So wurde die ostdeutsche Bevölkerung im Stich gelassen, denn es gab weder einen großen wirtschaftlichen Aufschwung noch eine effektive soziale Sicherung, wie zuvor in der DDR. Diese prekäre Situation nutzen dann rechte Parteien aus: Mit der „Wende“ zogen westdeutsche Nazis gezielt in den Osten um einerseits relativ unbeobachtet ihre Strukturen aufzubauen zu können und andererseits die wirtschaftlichen und sozialen Unsicherheiten und Ängste der Menschen für sich zu nutzen.

Die 30 Jahre, die seit der „Wiedervereinigung“ vergangen sind, haben gezeigt, dass Ostdeutschland eine Art Vorreiterrolle bei der Entwertung und Flexibilisierung von Arbeit einnimmt: Löhne, Rentenbeträge und Sozialleistungen sind auch heute in Ostdeutschland um einiges geringer als in Westdeutschland.

Damals nutzen die rechten Akteure nicht nur den verordneten Nationalismus in der Gesellschaft für sich aus, sondern boten auf die neu entstandenen sozialen Unsicherheiten und das Gefühl von Frust und Vernachlässigung vereinfachte Antworten. So greift die AfD auch heute Ängste und Unsicherheiten auf, instrumentalisiert sie und bietet rassistische Lösungen.

Doch was ist der Unterschied zwischen Ost und West? Der gezielte Aufbau rechter Strukturen ab ’89 von westdeutschen Faschisten, die von der CDU-Regierung nicht (großartig) bekämpft wurden. Die schlechtere wirtschaftliche Lage Ostdeutschlands und die damit einhergehende stärker vertretene soziale Unsicherheit in der Bevölkerung. Die ländlichere Prägung der „neuen Bundesländer“ im Vergleich zu den alten, denn je ländlicher das Gebiet desto rechter wird gewählt – auch im Westen. All diese Faktoren begünstigen einen rechten Wahlerfolg. Während die neuen Bundesländer an die BRD angeschlossen wurden, wurden die Menschen vergessen. Die AfD gibt deshalb vor die „Wende vollenden zu wollen“, allerdings unter einem sozialdemagogischen Deckmantel. Denn dass die Politik der AfD nicht im Interesse der kleinen Leute, der Mehrheit der (ostdeutschen) Bevölkerung ist, zeigt ein Blick in ihr Wahlprogramm, in dem sie sich z.B. gegen eine Vermögenssteuer ausspricht und die Erbschaftssteuer abschaffen will – all das ist Politik im Sinne der Reichen und nicht im Interesse der lohnarbeitenden Bevölkerung.

Deshalb ist die Ursache für über 20% Stimmen für die AfD nicht die Himmelsrichtung des Wohnorts, sondern Ausbeutung und fehlende soziale Sicherheit, kurzum: Kapitalismus.

Wie weiter?

Ob Ost oder West! Direkt betroffen sind wir hier in Stuttgart nicht von den Wahlergebnissen in Sachsen und Brandenburg, doch auch in Baden-Württemberg hat die AfD vor drei Jahren bei den Landtagswahlen bereits 15% der Stimmen erhalten. Deshalb gilt: Ob 15% oder mehr als 20% für die AfD, jedes Prozent für eine rechte Partei ist Eines zu viel. Wir müssen all das als Teil des gesellschaftlichen Rechtsrucks erkennen und bekämpfen. Ob in Ost oder West: Es gilt aufzuzeigen, dass die soziale Frage nicht mit rechten, rassistischen Antworten lösbar ist, denn ob CDU, AfD oder NPD, alle stehen für eine Politik der Ausbeutung und Unterdrückung. Daher kann die Wahl rechter Parteien nicht die Lösung der Probleme sein! Daneben ist es wichtig, dass wir den Menschen, die sich gegen rechte Hetze und für eine solidarische Welt im Osten engagieren unterstützen, in dem wir unsere Solidarität praktisch werden lassen. Auch wenn das heißt, hin und wieder mehrere hundert Kilometer zu fahren um gemeinsam Nazis und Reaktionären nicht die ostdeutschen Straßen zu überlassen. Denn nur gemeinsam können wir eine bundesweite Partei und bundesweit vernetzte Nazis bekämpfen.

Ob Ost, ob West – alle zusammen gegen den Faschismus!