Kommentar: Unite! – Gegen die Spaltung der #BlackLivesMatter-Proteste

Betrachten wir das letzte Wochenende lässt sich eines sicher feststellen: Auch in Stuttgart ist der weltweite Protest gegen Rassismus und Polizeigewalt angekommen und das nicht nur, wie nun versucht wird darzustellen, friedlich, während ein paar Linke schon wieder Krawall machen.

Trump oder Keilbach – Spaltung statt Deeskalation

In den USA hetzt Trump die Polizei auf, mobilisiert die Nationalgarde und droht den Protesten mit dem Einsatz des Militärs, um wieder Herr der Lage zu werden. Gleichzeitig wittert er hinter den entschlossenen Protesten, die sich nicht durch Ausgangssperren, Polizeigewalt und der Eskalation von Staatsseite aus bremsen lassen, die „Antifa“ oder andere linke Gruppen und spricht Verbotsdrohungen gegen diese „Terroristen“ aus. Was er damit tatsächlich will: Die Wut und den Widerstand breiter Bevölkerungsschichten delegitimieren, ihnen ihre Eigenständigkeit und ihren eigenen Ausdruck absprechen und Spaltungslinien in die Proteste, hinter denen die Mehrheit der US-BürgerInnen steht, treiben. Nun zur Polizei Stuttgart und ihren Pressesprecher Stefan Keilbach. Ein direkter Vergleich ist hier nicht angebracht, doch im Kern machen er und seine Behörde das Gleiche wie die Föhnfrisur auf der anderen Seite des Atlantik.

Direkt nach der Kundgebung am letzten Samstag schlagen sie bei den OrganisatorInnen der #BlackLivesMatter-Proteste auf, loben diese für ihre tolle Arbeit und warnen im gleichen Atemzug vor den ach so bösen Linken, im Versuch eine Distanzierung zu erwirken. Im besagten StN-Artikel geht es dann weiter. Wieder wird versucht, den legitimen Protest, den von Rassismus Betroffenen, als von „linken Krawallmachern“ provoziert zu denunzieren und ihnen damit ihre selbstbestimmten Aktionen abzusprechen und zu delegitimieren. Die Protestbewegung, zuvor noch gemeinsam und solidarisch auf der Kundgebung im oberen Schlossgarten, soll in friedliche, konforme Teile und vermeintlich gewalttätige Teile gespalten werden. Bei den Spontandemonstrationen dann von, zuvor nicht dagewesenen, Grenzüberschreitungen zu sprechen ist nur lächerlich und verharmlost damit die Polizeigewalt, der sich Protestierende immer wieder ausgesetzt sehen. Am Mittwoch wird dann nochmal nachgelegt: „Die Stuttgarter Polizei zeigt sich besorgt über Teile der linken Szene“ die „hier gerade Linien [überschreiten]“. Vielmehr weckte die Polizeipräsenz Erinnerungen an deren Auftreten bei S21-Protesten. Eine kleine Erinnerung an Stefan Keilbach: Als die Polizei das letzte Mal im Schlossgarten gegen eine solch große Masse Protestierende vorging, gab es exzessive Polizeigewalt und dutzende Schwerverletzte; fehlt nur noch der Einsatz der Wasserwerfer, die mittlerweile immer öfter auch in der Innenstadt bereitstehen.

Ein Blick hinter die Kulissen des Landtages

Auch aus der Politik gibt es unmissverständliche Signale. Die Grünen biedern sich dem Protest mit Landtagspräsidentin Aras, als ihre Vorzeigemigrantin oder OB Kuhn an. Die CDU setzt auf der anderen Seite mit Law & Order – Hardliner und Innenminister Thomas Strobl auf Härte. Dieser drohte unmittelbar nach der Demo damit, dass diese zukünftig auch aufgelöst werden kann, wenn nicht entsprechend Abstand gehalten wird. Eine solche Drohung suchten wir die letzten Wochen bei den „Querdenken711“-Demos vergeblich. Offensichtlich macht es für Strobl einen Unterschied, ob sich die spießbürgerliche Mittelschicht beschwert, nicht in den Urlaub fahren zu dürfen oder ob sich schwarze Jugendliche gegen Rassismus und Polizeigewalt die Straße nehmen und protestieren.

Institutioneller Rassismus & Polizeigewalt

Doch gerade davon gibt es auch in Deutschland mehr als genug. „Verdachtsunabhängige“ Kontrollen in der Arnulf-Klett-Passage, während weiße Menschen nicht kontrolliert werden oder rassistische Sprüche und Übergriffe in der U-Bahn sind auch hier Alltag. Allzu oft werden im Job oder bei der Wohnungssuche doch andere Menschen. In Hamburg oder Berlin, ging die Polizei gegen die #BlackLivesMatter-Proteste mit Wasserwerfern, Festnahmen, Knüppeln und Pfefferspray vor. Immer wieder sind PoC auch in Deutschland in ihrem Alltag rassistischer Polizeigewalt bis zum Tod ausgesetzt: Oury Jalloh verbrannte 2005 in einer Dessauer Polizeizelle, an Händen und Füßen, ohne Bewegungsmöglichkeit auf eine feuerfeste Matratze gefesselt. Mehrere unabhängige Studien und Gutachter kamen zu dem Schluss, dass er ermordet wurde, fanden Spuren schwerer Misshandlungen an seinen Überresten. Trotz unzähliger Beweise und Widersprüche in den Aussagen der diensthabenden Polizisten wurden sämtliche Ermittlungen eingestellt und erst gar nicht wegen Mordes gegen die Täter in Uniform ermittelt. Andere Namen, gleiches Problem: Robble Warsame, Amad Ahmad, Achidi John, sowie ungezählte weitere.

Dann noch die NSU-Morde, die bis zur Selbstenttarnung des Trios als Familien- bzw. Clanmorde von Ausländern betrachtet wurden und in der Presse auch als „Döner-Morde“ bezeichnet wurden. Traurige Kontinuität: In seinem ersten Artikel sprach der „Focus Online“ nach dem rechten Terroranschlag in Hanau von „Shisha-Morden“ und änderte das erst nach einem massiven öffentlichen Aufschrei.

All das ist Gewalt die nicht-weiße Menschen erfahren und auch tagtäglich als solche wahrnehmen, egal ob es nun sie waren, die heute mal wieder wegen ihrer Hautfarbe kontrolliert wurden oder dieses mal Glück gehabt haben. Den Widerstand gegen diese Gewalt nun selbst als solche zu diskreditieren, ohne ihre Ursprünge und Berechtigung anzuerkennen, reproduziert diese tödlichen gesellschaftlichen Zustände. Das ist Christine Bilger, der „investigativen“ Polizeireporterin mit besten Informationen ihrer Polizeiquellen, mal wieder bestens gelungen.

#BlackLivesMatter – auf der Straße, egal ob angemeldet oder spontan

Warum sollte also dann bei diesem Staat nachgefragt werden, wie wir wann und wo demonstrieren dürfen? Warum sollten die Proteste und Protestformen sich danach richten, was laut Politikern oder der Polizei richtig und „verträglich“ ist?

Der Protest gegen Rassismus, Ausgrenzung und Polizeigewalt ist legitim – die Wut vieler Betroffener gehört auf die Straße, in die Öffentlichkeit aus der sie zu lange ungehört verbannt wurde. Als AntifaschistInnen stehen wir natürlich an ihrer Seite. Wenn wir uns gemeinsam und selbstbestimmt die Straßen nehmen, lassen wir uns nicht spalten und stehen solidarisch Schulter an Schulter. Das diese Wut in Teilen auch die Polizei getroffen hat, ist wenig verwunderlich. Das ein Ort wie die Wache auf der Theo blockiert wurde, ist nicht nur symbolisch längst überfällig, sondern trägt den Protest gegen Rassismus und Polizeigewalt genau an die Orte, wo es tagtäglich dazu kommt. Das sich die Menschen auch weiterhin die Straßen nehmen und ihren Kampf in die Öffentlichkeit tragen ist auch unser Anliegen.

In den Worten von MalcomX: „Man kann Frieden und Freiheit nicht von einander trennen; niemand kann friedlich sein, solange er nicht frei ist.“

Nehmen wir also unsere Freiheit in die eigenen Hände!