Solidarität praktisch werden lassen! Bericht einer antifaschistischen Prozessbeobachtung in Ingolstadt

Bereits in der zweiten Instanz läuft im bayrischen Ingolstadt ein Verfahren gegen einen Antifaschisten. Dem Genossen wird die Beteiligung an militanten Protesten gegen einen Aufmarsch der faschistischen Partei „Der III. Weg“ vorgeworfen. Einen kurzen Bericht zum ersten Verfahrenstag und Eindrücke aus dem Gerichtssaal könnt ihr dem Bericht solidarischer ProzessbeobachterInnen entnehmen:

Mit Perücke und viel Widerspruch im bayrischen Gerichtssaal

Am 08.01.2019 haben wir den Prozess von einem Genossen aus Ingolstadt beobachtet – knapp 25 Menschen saßen im Gerichtssaal um sich mit dem Genossen solidarisch zu zeigen. Das Verfahren läuft seit 2016 in erster Instanz, hier wurde unser Genosse wegen versuchter schwerer Körperverletzung und Vermummung zu einem Jahr und 4 Monate ohne Bewährung verurteilt. Ihm wird vorgeworfen, dass er eine Flasche bei einem Aufmarsch des III. Wegs geworfen zu haben soll. Die Flasche, die er angeblich geworfen haben soll, flog in Richtung III. Weg – traf niemanden, niemand wurde verletzt.

Jetzt läuft der Berufungsprozess seit 2017. Im Oktober 2018 wurde der Prozess dann allerdings ausgesetzt, weil anhand eines forensischen Gutachtens seine Unschuld bewiesen werden soll.

Das ganze Verfahren beruht auf der Aussage eines Zivilbeamten des USK aus Nürnberg, welcher sich J. Goller nennt und 28 Jahre alt sein soll. Der genannte Beamte kam mal wieder mit Perücke, aufgeklebten Bart und geschminkt zur Verhandlung um sein Aussehen zu verstecken und weiterhin unerkannt als Zivi seine Umtriebe machen kann. Der Beamter Goller darf keine ausführliche Aussage zum Geschehen vor Ort machen, weil er nur eine eingeschränkte Aussagegenehmigung hat – was seine Zeugenaussagen teilweise amüsant macht.

Der Beamte behauptet die ganze Zeit hinter dem Angeklagten gewesen zu sein, der sich in einem schwarz gekleideten Masse bewegt haben soll, er soll nicht mal eine Armlänge von Ihm entfernt gewesen zu sein. Als es soweit war, dass der III. Weg auf Höhe der Konrad-Adenauer-Brücke war, soll eine Person schon von Anfang an eine Falsche vor sich bereitgestellt haben – ohne dass dies der Beamte gesehen hat, aber er vermutet es mal und geht davon aus das dies so war. An andere Stelle sah seine Aussage zur Flasche wieder anders aus. Diese Art seiner Aussageform zieht sich durch die dreieinhalb Stunden, die er im Zeugenstand verbrachte: Widersprüche an Widersprüche, Relativierung seiner Aussagen oder doch mal wieder eine Erinnerungslücke. Aber weiter im Prozess: Der Flaschenwerfer soll von einer anderen, unbekannten Person, Handschuhe mit einer auffälligen gelben Oberseite bekommen haben. Wo die Handschuhe danach waren, kann der Beamte nicht sagen. Fest steht, dass bei der Festnahme des angeklagten Genossen die Handschuhe nicht mehr da waren. Nach dem Flaschenwurf soll sich ein Mob schwarz bekleideter, vermummter Menschen in Richtung Innenstadt bewegt haben – auch hier sagt Goller aus, er war stets nur eine Armlänge hinter dem Angeklagten. Das er hierbei aber nicht beobachten konnte wohin die Handschuhe gewandert sind, ist schon ein kleines Wunder. Denn wie Goller immer betont, auch wenn er Dinge nicht mehr weiß, dass er den Angeklagten einer dauerhaften und lückenlosen visuelle Beobachtung unterzogen hatte. Für Ihn sind die Schuhe das Erkennungsmerkmal, an die sich aber nur er erinnern kann. Wie das alles zusammenpasst, das kann keiner sagen – nicht mal Goller als Hauptbelastungszeuge. Denn alle anderen geladenen Zeugen, der Beamte vom Staatsschutz, der die Flasche aufgesammelt hat, ein USKler, der ihn danach festgenommen hat und sein Truppenführer konnten zum Vorwurf nichts sagen.

Das Gutachten des Videomaterials bestätigte die Anklage nicht. Die widersprüchlichen Aussagen des Zivis in Verkleidung waren die einzigen Aussagen, die im sechseinhalb Stunden Prozess in irgendeiner Form gegen den Angeklagten sprachen – allerdings auch nur ohne Verstand und mit verschlossenen Augen und zugehaltenen Ohren.

Wie sich diese Farce weiterentwickelt werden die nächsten 3 angesetzten Prozesstage zeigen.

Auch da werden wir unseren Genossen solidarisch unterstützen!

Denn Solidarität ist unsere Waffe.

Die nächsten Prozesstermine sind:

24.01. 2019 | 07.02.2019 | 21.02.2019