Gegen die Politik der einfachen Antworten! – Statement zu den Anti-Fahrverbots-Demos

Stuttgarts Rechte vereinnahmt Anti-Fahrverbotsdemos

Es war eine Frage der Zeit bis sich der in Teilen der Gesellschaft vorhandene Unmut über die Fahrverbote in der Stuttgarter Innenstadt Luft verschafft. Am 19. Januar 2019 fand die zweite „Anti-Fahrverbots / Pro-Diesel“-Demo am Neckartor, unweit der dort installierten Feinstaubmessstadtion statt.

Was sich schon bei der ersten Demo angedeutet hatte, wurde beim zweiten Anlauf offensichtlich: Stuttgarts Rechte haben das Thema für sich entdeckt. Vertreter aller relevanten Gruppierungen waren auf der Demo präsent und versuchten die Empörung über die Fahrverbote für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. In der kommenden Woche ist die Demo vom rechten MdL Heinrich Fiechtner angemeldet.

Der 19. Januar 2019: Ein Stelldichein rechter Grüppchen

Zwar sind auf den Bannern und Schildern der Rechtspopulisten die Logos von AfD und Co abgeklebt, zu übersehen waren die Rechten am 19. Januar 2019 auf keinen Fall. Nicht nur optisch dominierten sie die Außenwirkung der Kundgebung. Ein Mitglied von Zentrum Automobil und ein Vertreter des rechten, verschwörungstheoretisch Ariman-Verlags sprachen auf der Kundgebung. Wichtige Vertreter der rechten Gruppen gaben sich praktisch die Klinke in die Hand. Neben dem Ex-Nazimusiker Oliver Hilburger von Zentrum Automobil waren unter anderem Ex-AfD-MdL Heinrich Fiechtner, Dirk Spaniel (MdB AfD) und das JA-Landesvorstandsmitglied Denis Joschko vor Ort. Die Zurückhaltung bei der Symbolik erinnert an das Verhalten der AfD bei der „Demo für Alle“ und ist durchschaubares Kalkül der Rechtspopulisten.

So spricht sich der momentane Anmelder der Demo, ein Porsche-Beschäftigter und IGM-Mitglied, gegenüber der Presse zwar gegen eine politische Vereinnahmung aus, letztlich ist er aber hilflos. Von seiner Seite kommt bisher in der Öffentlichkeit zu wenig konsequente Abgrenzung nach rechts, was faktisch einer Einladung an die versammelte rechte Meute gleich kommt.

Pro Diesel? Pro Fahrverbot? Das Thema ist komplexer.

Es ist Fakt, dass viele Menschen aus dem Stuttgarter Umland auf das Auto angewiesen sind um zur Arbeit in die Innenstadt oder die Randbezirke zu pendeln. Nicht erst seit der S21-Baustelle ist der Zustand des ÖPNV desaströs. S-Bahnverspätungen und Ausfälle sind an der Tagesordnung, U-Bahnen zu Stoßzeiten überfüllt, Busse unzuverlässig. Der Ausbau der Infrastruktur im Kontext von S21 kommt ausschließlich dem Fernverkehr und damit einer kleinen Gruppe Reisender zugute. Für die Mehrheit der Menschen wird auch nach Fertigstellung des Bahnhofs keine spürbare Verbesserung geben. Das Auto bleibt also, mangels Alternativen, notwendiger Mobilitätsgarant.

Genauso offensichtlich ist aber auch, dass die alltägliche Blechlawine in der Stuttgarter Innenstadt maßgeblich mitverantwortlich ist für die verschmutzte Luft und die daraus resultierenden gesundheitlichen Risiken. Die zur Besserung der Luftqualität eingeführten Fahrverbote treffen aktuell aber nicht die Verursacher. Fahrverbote und Feinstaub treffen nicht unbedingt die Menschen in Stuttgarts Höhenlagen oder die Wohlhabenden die sich mal eben ein E-Auto leisten können. Betroffen sind in erster Linie: GeringverdienerInnen, PendlerInnen und die BewohnerInnen der tiefer gelegenen Stadtbezirke. Kurz: Die Lohnabhängigen.

Die großen Autokonzerne, wie Daimler und Porsche, profitieren auch weiterhin von der Produktion umweltschädlicher Autos und streichen Milliardengewinne für ihre Aktionäre ein. Ihre Produktionsstätten in Cannstatt und Zuffenhausen tragen im übrigen maßgeblich zur Luftverpestung bei – ohne das sie dafür zur Rechenschaft gezogen werden.

Was tun?

Es ist falsch und realitätsfern alle Menschen die sich auf der Demo gegen die Fahrverbote aussprechen und ihrem Unmut Luft machen wollen per se als Rechte zu bezeichnen. In der Konsequenz kann es sich eine antifaschistische Intervention nicht zum Ziel machen, die Politik der Fahrverbote in seiner aktuellen Form, die den Konflikt insbesondere auf dem Rücken von PendlerInnen austrägt, zu verteidigen. Genauso wenig können wir den Diesel entgegen aller wissenschaftlichen Erkenntnisse zum Nonplusultra erklären. Im Gegenteil. Der Individualverkehr und mit ihm der Verbrennungsmotor sind ein nicht unwesentlicher Ursache für den Klimanwandel. Das Kernproblem bleibt hier eine Gesellschaft die an Profitinterressen ausgerichtet ist.

So stark wie sich die AfD aus Wahlkalkül für den Diesel ausspricht so entschieden leugnet sie den Klimawandel. Das diffuse „Wir unten“ gegen „die da oben“ ist ein bekanntes wie verlogenes Argumentationsschema der Rechten. Schließlich ist die Politik der Rechtspopulisten keine die die Probleme grundlegend lösen will. Der neoliberale Wirtschaftsansatz von AfD und Co hat eine Politik zu Ungunsten der Mehrheit „da unten“ zum Ziel – alles andere sind propagandistische Nebelkerzen.

Wie weiter?

Wir werden es nicht hinnehmen, dass sich Rechte auf Stuttgarts Straßen breit machen. Gerade dann nicht, wenn sie sich wie im aktuellen Fall als Kümmerer der „kleinen Leute“ aufspielen und vorhandenen Unmut reaktionär kanalisiert.

Ähnlich wie in der Geflüchtetenfrage versucht die AfD auch in der Debatte um Fahrverbote einzelne Gruppen in der Gesellschaft gegeneinander auszuspielen. In aktuellen Fall die Diesel-PendlerInnen gegen die Gesundheit der von der Luftverschmutzung betroffenen Menschen.

An den kommenden Samstagen sollen wieder Demos gegen die Fahrverbote stattfinden, diesmal vom ehemaligen AfD-Landtagsabgeordneten Fiechtner angemeldet. War die erste „Diesel-Demo“ in der vergangenen Woche vor allem vom diffusen Unmut geprägt, so wurde die zweite am 19. Januar 2019 bewusst von rechts vereinnahmt. Es ist zu erwarten, dass die Mobilisierung gegen die Fahrverbote sich spätestens ab dem kommenden Wochenende zur rechten Veranstaltung entwickelt – ohne dass alle die aktuell daran teilnehmen eine rechte Weltanschauung vertreten.

Eine antifaschistische Intervention muss diese Aspekte beachten und gleichzeitig den Rechten nicht die Straße überlassen. Es ist unsere Aufgabe die Hetze zu entlarven und AfD und Co mit entschiedenem Widerstand zu konfrontieren. Gleichzeit dürfen wir dabei nicht stehen bleiben. Eine ernst gemeinte Intervention von Links hat die Aufgabe die Komplexität des „Diesel“-Themas aufzurollen und den einfachen Antworten von Rechts eine solidarische, gemeinsame Perspektive aller Betroffenen entgegenzustellen.

Antifaschistisch intervenieren: Gegen die Politik der einfachen Antworten!