Den Widerstand gegen rechte Allianzen weiter verstärken!

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Am Samstag den 03.5.2014 wollen voraussichtlich  zum vierten Mal mehrere christlich
fundamentalistische, homophobe und offen rechte Organisationen, Gruppen,
AnhängerInnen bürgerlichen Parteien FDP sowie CDU, rechtspopulistische
und rechtsextreme Parteien und Einzelpersonen gegen sexuelle Vielfalt
zusammen demonstrieren. Die Kritik am Bildungsplan 2015 ist nur ein
Thema davon. Die ohnehin weit voran geschrittene heteronormative
Ausrichtung unsere Gesellschaft ist den „besorgten Eltern“ nicht genug.
Die Verhältnisse sollen mit einer übertriebenen Masche ausgenutzt
werden, um mehr Menschen auf die Straße zu bringen. Ziel ist es sich als
„Bürgerbewegung“ zu etablieren und so politischen Druck aufzubauen, um
einen Rollback weiter voranzutreiben.

Die Entstehungsgeschichte der gefährlichen Allianzen

Fachliche und sachliche Diskussionen zum Bildungsplan sowie die
Möglichkeit zur Beteiligung gab es schon seit 2012. Die heftige und
unsachliche Diskussion wurde Ende 2013 ausgelöst durch Gabriel Stängle
einen Realschullehrer und Prädikant der evangelischen Landeskirche. Er
brachte eine Onlinepetition zum Bildungsplan auf den Weg und wurde dabei
unterstützt von evangelikalen Kreisen. Hauptakteur war dabei die
evangelische Allianz, die mit 1,3 Millionen angeschlossenen Menschen,
guten Verbindungen zur Politik und Kirche sowie guten Kontakten zu
teilweise eigenen Medien eine einflussreiche politische Kraft ist. Die
Argumente und die öffentliche Diskussion brachten weitere Akteure auf
den Plan. Am 1.2.2014 veranstalten unter dem Schlagwort „besorgte
Eltern“ die erste Demo. Inzwischen ist klar, dass die AfD-Kandidatin
Beatrix von Storch aus dem nationalistischen und wertkonservativen
Flügel der Partei dabei eine maßgebliche Rolle spielt. Die vierte der
AfD-Liste zur Europawahl und ihr Ehemann stellen mit ihren Vereinen und
Netzwerken die logistische und politische Infrastruktur für die
Demonstrationen. Auf unterschiedlichen Ebenen (Kirche, Medien, Politik)
und mit unterschiedlichen Mitteln (Petition, Demonstration,
Übertreibung, Verbreitung von Vorurteilen, Hetze, Medienarbeit,
Internet) wurde Stimmung gemacht aus verschiedenen Motiven heraus und
mit unterschiedlichen sowie gemeinsamen Zielen. Aufgrund der
Unterschiede und vielfältigen Zusammenhänge sprechen wir von Allianzen.
Im Hinblick darauf, was entstehen kann und welches reaktionäre Potential
sie über die schon erschreckende Mobilisierung hinaus aktivieren wollen,
stufen wir sie als gefährlich ein.

Das kopierte Konzept der „Demo für alle“ aus Frankreich

Im Jahr 2013 gab es im Nachbarland Demonstrationen in mehreren Städten,
die sich gegen die Einführung der Homo-Ehe richteten. Dort gab es über
fünfzig Organisationen und zahlreiche Prominente, die zu Demos
aufriefen. 68 Regionalorganisationen unterstützen die Demos. So wurde
ein unerwarteter Zuspruch in Medien, Politik und viel zu großen Teilen
der Zivilgesellschaft erreicht. Obwohl die Gesetze umgesetzt wurden
löste dies ein aufgeladene und diskriminierende Stimmung gegen
Homosexuelle und UnterstützerInnen aus. Mit einer verlogenen
Argumentation „gegen Homophobie und gegen die Homoehe“ sowie einer
fröhlich wirkenden Optik in blau und rosa konnte ein harmloser Eindruck
erzeugt werden. Im Gegensatz zu uns ist es ihnen auch gelungen, weil sie
mehr Kreide gefressen haben. Auch in Taiwan gelang es besser sich einen
bürgerlichen Anstrich zu geben und über 100.000 Leute zu mobilisieren.
Eine internationale Vernetzung ist von den französischen InitiatorInnen
ausdrücklich gewünscht. Daran versuchen nun die gefährlichen Allianzen
bei uns anzuknüpfen.

Gefährliche Allianzen auf der Straße – Außen- und Innenwirkung

Bei der dritten Demo ist es ihnen durch vielfältigen und kreativen
Widerstand erschwert worden eine positive Außenwirkung zu erzielen. Mit
der völlig übertriebene Masche „Indoktrination“, „Gender-Ideologie“,
„Umerziehung“, „Pornounterricht“ entzogen sie sich schon selbst
jegliche Berichtigung ernst genommen zu werden. Bei der Demo in Köln
wurde ging ein Redner gar so weit geplante Sado Maso Praktiken in der
Schule als Fakt darzustellen. Entsprechend waren auch die Reaktionen der
PassantInnen und in der sonstigen Wahrnehmung. Durch falsch verbreitete
TeilnehmerInnen Zahlen sollte die in der Realität vorhandene Schwächung
bewusst verfälscht werden. Menschen ohne Erfahrung bei Demos wird so
zusätzlich die Opferrolle vermittelt. Einerseits der innere Zusammenhalt
durch das Gefühl in einer Masse auf der Straße gewesen zu sein,
andererseits der vermutete Betrug durch Medien und Polizei, die ihre
Zahlen verfälscht hätten und über ihren Protest aufgrund Einflussnahme
der „linksgrünen“ Journalisten schlecht berichten. Wie viele Punkte der
„Demo für alle“ ist dies einfach und funktioniert leider meistens.
Homophobie ist ein Bestandteil. Das sind klassische rechtspopulistische
Methoden!

Den Druck von der Straße ausnutzen – offensichtliche Strategie der
gefährlichen Allianzen

Gemeinsam mit den InitiatorInnen der Petition aus dem evangelikalen
Spektrum nahmen sie den vom „Schlossplatzmob“ erzeugten politischen
Druck dankend auf. Die Landesregierung hat sich leider von dem
anachronistischen Charakter ablenken lassen! Einerseits distanzierten
sie sich vage von den Demonstrationen, andererseits wollten sie vom
Druck profitieren. Durch die Einladung hat sie deren offensichtlichen
Strategie legitimiert. Wir halten es nicht nur für gefährlich, sondern
für politisch illegitim so zu handeln! Weshalb verhandelte Herr
Kretschmann mit fundamentalistischen DogmatikerInnen? Meinte er mit
einem freundlichen Lächeln und warmen Worten den Brüdern und einer
Schwester, die schon seit Jahrzehnten täglich morgens in der Bibel lesen
und dabei ihre Sicht zementieren, die Sicht der Landesregierung
verständlich machen zu können? Oder fürchtet er deren Einfluss und
glaubt ein freundliches Gespräch würde sie davon abbringen weiter
Stimmung zu machen? Sie reagieren mit dem selben freundlichen Lächeln
und griffen nach dem Finger, der ihnen unnötigerweise gereicht wurde.
Durch die erfolgte Legitimation fühlen sie sich bestätigt weiter
konsequent ihre reaktionären Vorstellungen zu vertreten und nach der
Hand zu greifen. Mit frommen Worten und der Erwiderung des
Kretschmann-Lächelns versuchen sie davon abzulenken. Dabei wird
verschwiegen, dass sie Religiosität nicht für sich gepachtet haben. Ein
paar Tage nach den Gesprächen verkündete ihr größter Unterstützer,
CDU-Fraktionschef Volker Kauder, das Bundesverfassungsgericht wegen ihm
zu liberaler Entscheidungen bezüglich der Gleichstellung kontrollieren
zu wollen. Nach unserer Interpretation dieser Aussagen würde Volker
Kauder am liebsten im Orban-Stil alles nach seiner Interpretation von
Gottes Wort kontrollieren! Die evangelische Allianz würde gerne dafür
sorgen dass Kauders Reich komme und ihr Wille geschähe. Entweder ist
die Landesregierung naiv oder nicht in der Lage die Motive und
Ausrichtung der „Bildungsplangegner“ zu analysieren. Beides halten wir
für fatal!

Die gefährlichen Argumentation und Vorgehensweise

Bei den Demos wurden Nazis und Neurechte geduldet. Darauf angesprochen
äußerten viele TeilnehmerInnen keinerlei Problembewusstsein dafür. Da
hörte die Besorgnis schnell auf. Konsequent gegen diese tatsächliche
Vereinnahmung vor zu gehen ist nicht gewollt. Wichtiger ist gegen die
konstruierte Gefahr gemeinsam zu demonstrieren. Die Reden brachten ihr
rechtes Weltbild offen zu Tage. Eine vielfältige Gesellschaft, in der
andere Lebensformen gleichwertig zur Familie sind, soll verhindert
werden. Linke und Grüne wurden dämonisiert als „Besserwisser“, die
Familien und unsere Zukunft ins Unglück stürzen würden. Sie sollen
angeblich ausführende Organe von reichen und einflussreichen Machteliten
sein, die wahlweise für die „Homo-Lobby“ oder die „Genderisten“ Fäden in
der Hand halten. So wurden nationalistische, antiemanzipatorische,
heterosexistische, homophobe und antikommunistische Töne gemischt und
die Grenze zu antisemitischen Codes gekratzt. Sich so in einer
Opferrolle zu stilisieren ist ein von Faschisten gerne benutztes
Argumentationsschema! Spätestens bei einem Klick in die virtuellen
Abladestellen für geistigen Müll auf verschiedenen Hetzseiten und Blogs
der Beteiligten wird klar aus welchem Schoß sie gekrochen sind!

Kritische Reaktionen „auf Demo für Alle“

Im Vorgang und Nachgang begann eine Diskussion über die Motive und
Hintergründe dieser gefährlichen Allianzen. Die CDU und FDP
unterstützten diese mit Reden oder Grußworten. Dafür gab es zurecht
Kritik! Auch die Rolle der AfD und deren Spitzenkandidatin Beatrix von
Storch wurde beleuchtet. Sie stellt mit ihrem Mann und ihren Netzwerken
und Vereinen die logistische und politische Infrastruktur. Wir begrüßen
die Kritik und die Diskussion, die auf unterschiedlichen Ebenen statt
findet. Dies hat zu einem Bruch innerhalb der Allianzen geführt. Obwohl
sich die Demo optisch leider verbesserte war die Reaktion der
PassantInnen erfreulich ablehnend aufgrund des insgesamt seltsam
wirkenden Charakters. Im Gegensatz zur schnellen oftmals unkritischen
Aufwertung bei den ersten beiden Demos gab es nach der dritten in der
zivilgesellschaftlichen, medialen und auch politischen Wahrnehmung einen
Verlust der Legitimation.

Eine völlig neue Koalition

Die gefährlichen Allianzen konnten VertreterInnen von Parteien und
TeilnehmerInnen von der angeblich guten gesellschaftlichen Mitte, den
meistens moralisch erhaben wirkenden ChristInnen bis ins rechtsextreme
Lager mobilisieren. Sogar viele migrantische TeilnehmerInnen waren
dabei. Anscheinend lassen sich mit reaktionären Vorstellungen zu
Heterosexismus und Homophobie Widersprüche ignorieren oder gar
überwinden. Solch eine Konstellation gab es unseres Wissens noch nie auf
Stuttgarter Straßen. Dass die Aktivierung dieser gefährlichen Allianzen
so schnell und problemlos möglich ist, das hat uns überrascht und
erschreckt.

Warum sind die Allianzen so gefährlich?

Die führenden Personen haben inzwischen mehrmals geäußert, dass sie wie
in Frankreich hunderttausende auf die Straße bringen wollen. Das Konzept
„Demo für alle“ wird leider weiter in der Praxis erprobt. Reaktionäre
Stimmungsmache ist ein gefährlicher Nährboden für faschistische Gewalt.
Der Antifaschist Clément Méric ist im Zuge dieser Entwicklungen im
Sommer 2013 in Paris von Nazis umgebracht worden. Ein kurzer Aufschrei
hatte leider keine Folgen. Ganz im Gegenteil! Die Stimmung kippte immer
weiter. Aus der „Demo für alle“ sind die „Tage des Zorns“ entstanden.
Ein weiterer negativer Höhepunkt war eine Demonstration unter diesem
Motto mit etwa 17.000 TeilnehmerInnen, die federführend von
rechtsextremen Organisationen und Parteien getragen wurde. Der
Holocaust-Leugner Faurisson wurde dabei mit Rufen „Faurisson hatte
recht“ bejubelt. Auch Rufe „Jude verpiss dich“ waren mehrmals zu hören.
Der Blick nach Frankreich zeigt klar was daraus entstehen kann. Wie es
dort weiter geht ist völlig unklar. Vereinzelt haben JüdInnen deswegen
bereits das Land verlassen. Aus den „manif pour tous“ ist ein Klima der
Angst und Gewalt entstanden. Den Faschisten gab dies leider starken
Aufwind. Bei der Kommunalwahl im März 2014 hat die faschistische Front
National enorme Gewinne erzielen können. Auch im Hinblick auf die
Europawahl Ende Mai ist es wichtig, solche Tendenzen bei uns im Keim zu
ersticken.

Gefährliche Allianzen als Chance

Der 05.04.2014 war ein Erfolg für die fortschrittlichen Kräfte. Bei drei
Protestaktionen gelang es Menschen zu mobilisieren, die bisher noch
nicht auf der Straße waren. Auch wurde durch den zentralen Charakter in
der Innenstadt vielen PassantInnen wieder einmal vor Augen geführt auf
wessen Seite die Repressionsbehörden auch im scheinbar fortschrittlichen
„Ländle“ stehen. Außerdem wurden die reaktionären Kräfte durch die
öffentlichen Diskussionen demaskiert oder haben dies selbst getan. So
wurde auch das Problem, dass reaktionäres Gedankengut verbreitetet ist,
und was daraus entstehen könnte, wieder in den Fokus gerückt. Die
vielfältigen Reaktionen waren erstaunlich.

Die Herausforderung gemeinsam und solidarisch meistern!

Die Sorge um deren Potential und die Überraschung über das
Zustandekommen dieser neuen Konstellation werden uns nicht irritieren!
Auf theoretischer Ebene werden wir dies genau analysieren und darüber
informieren. Eine dialektische Herangehensweise mit verschiedenen
Diskussionsbeiträgen begrüßen wir dabei. Auf praktischer Ebene müssen
wir den gefährlichen Allianzen durch eine weitere Niederlage auf der
Straße weiter die Basis entziehen. Unser Vorteil ist die langjährige
kontinuierliche Praxis auf der Straße! Wir können aus dieser Situation
gestärkt hervorgehen und sowohl die Notwendigkeit des Widerstands
vermitteln als auch neue MitstreiterInnen mobilisieren, die erste
Erfahrungen sammeln können oder neue Impulse bringen.

Am 03.05.2014 den Widerstand gegen gefährliche Allianzen weiter verstärken!

Es liegt an uns allen! Weder in Stuttgart noch anderswo wollen wir eine
Stimmung wie in Frankreich! Gemeinsam und solidarisch werden wir den
Widerstand entschlossen auf die Straße tragen! Wir freuen uns über
vielfältige und kreative Unterstützung. Bitte mobilisiert eure
FreundInnen für den 03.05.2014! Das wird unser Tag! Es reicht! Wir
werden den anachronistischen Zug blockieren und den gefährlichen
Allianzen ein „Desaster für alle“ bereiten!

UnterstützerInnen:
Antifaschistisches Aktionsbündnis Stuttgart & Region (AABS)
Antifaschistische Aktion (Aufbau) Stuttgart

Möchtet ihr den Aufruf auch unterstützen?
Dann schreibt eine Mail an gegenrechteallianzen[at]web.de

Weitere Infos hier: gegenrechteallianzen.tk