Am Montag, den 20.01.2014, versammelten sich rund 50 Antifaschistinnen und Antifaschisten in Göppingen vor dem Marstall. Erinnert wurde an die Ermordung des Göppinger Antifaschisten Johan Gahr, der am 20.01.1939 gewaltsam an diesem Ort, vermutlich von Nazis, zu Tode gefoltert wurde. Um 20 Uhr rief deshalb die VVN- BdA und die Antifaschistische Gruppe Göppingen zum Gedenken auf. Das AABS folgte diesem Ruf und war mit einer Delegation vertreten.
Die Rednerin Janka Kluge erinnerte an die antifaschistischen Tätigkeiten von Gahr. Dieser war in der Göppinger Arbeiterschaft bekannt und war maßgeblich an den Protesten gegen eine Versammlung der NSDAP 1922 beteiligt. Die Auseinandersetzungen wurden später als die „Schlacht am Walfischkeller“ bekannt. Wichtig war ihr den Bogen zu heute zu schlagen. Deshalb warnte sie vor den neofaschistischen „Autonomen Nationalisten“ in Göppingen. Die Erfahrung aus anderen Städten lehre, „dass es um Einiges einfacher ist, das Entstehen einer organisierten rechten Szene zu verhindern, als erst zu reagieren, wenn diese Fuß gefasst haben.“ In diesem Zusammenhang betonte sie die Wichtigkeit der Zusammenarbeit aller Nazigegner ohne ein gegenseitiges Ausgrenzen. Denn ein antifaschistisches Bürgerfest in der Fußgängerzone habe genau den gleichen Sinn und Berechtigung wie die zivilen Blockaden einer möglichen Naziroute, wie es erst am vergangenen Samstag in Magdeburg praktiziert wurde.
Denn Faschismus sei nach wie vor keine Meinung, sondern ein Verbrechen.
Als zweiter Redner wartete Klaus Maier-Rubner mit neuen Forschungsergebnissen auf. Er berichtete, dass Gahr 1936 vom Donzdorfer Oskar Schneider an den Stuttgarter Gestapo-Beamten Ludwig Thumm verraten
wurde. Er habe ein illegales antifaschistisches Braunbuch weitergereicht. Erst dessen Stellvertreter Strehle ließ dann am 19.1.1939 fünf Göppinger Antifaschisten darunter Gahr verhaften. Dieser kam einen Tag später im Gefängnis zu Tode. Offizielle Todesursache sei Selbstmord gewesen. Seine Frau Margarete kannte jedoch einige Indizien dagegen, unter anderem wies Gahr an den Schläfen Schlagstockspuren auf. Im Verfahren gegen Schneider wurde sein Tod nicht thematisiert. 1949 ermittelte die Göppinger Kripo, die Ergebnisse wurden jedoch nicht festgehalten, es kam zu keinem Gerichtsverfahren. Der damals im Gefängnis tätige Wachtmeister Keckeisen wurde jedoch im Zusammenhang von Gahrs Tod der Falschaussage überführt, entzog sich aber weiteren
Ermittlungen durch Selbstmord.
Abschließende und sehr persönliche Worte aus dem Leben ihrer Familie fand Sonja Müller, die aus Bayern angereiste Enkelin von Gahr. Sie bedankte sich bei allen Besuchern und den Veranstaltern für das Gedenken
an ihren Großvater.
Rede zur Erinnerung an Johannes Gahr (20.1.2014)
Vor fünfundsiebzig Jahren ist hier in diesem Gefängnis der Antifaschist und überzeugte Kommunist Johannes Gahr ums Leben gekommen. Er wurde 1880 geboren und arbeitete später in der Schuhfabrik Faurndau. Er war bereits an der legendären „Schlacht am Walfischkeller“ beteiligt. Am 11. Dezember 1922 wollten die örtliche NSDAP eine Versammlung abhalten. Nachdem die Münchner SA Führung von Auseinandersetzungen bei einer ähnlichen Versammlung in Stuttgart gehört haben, hat Hitler beschlossen SA-Männer aus München zur Unterstützung nach Göppingen zu schicken. Etwa 70 SA´ler fuhren an diesem Vormittag von München nach Göppingen. Als die Göppinger Arbeiter davon erfuhren stellten sie sich den anreisenden Nazis in den Weg. Einige Quellen sprechen davon, dass an diesem Tag fast 1000 Arbeiter gegen die Nazis demonstriert haben. Als der Wirt des ursprünglichen Versammlungslokals die Veranstaltung noch am Nachmittag abgesagt hatte mussten die Faschisten ausweichen. Sie gingen in das Lokal zum „Walfischkeller“. Dort stellten sich die Arbeiter ihnen entgegen und es kam zu einer regelrechten Straßenschlacht. Die Anhänger der NSDAP haben es auch noch in den folgenden Jahren schwer gehabt in Göppingen Versammlungen durchzuführen. Bei vielen der Proteste war Johannes Gahr mit dabei. Er gehörte dann im März 1933 zu den ersten, die von den Nazis verhaftet worden sind. Er kam mit vielen anderen politischen Gegnern auf den Heuberg. Der Heuberg war das erste Konzentrationslager in Württemberg. Auf einem ehemaligen Truppenübungsgelände am Rande der schwäbischen Alb wurde er inhaftiert. Es hat sich leider nicht ermitteln lassen wann er wieder freigelassen wurde, es muss aber Ende 1933 gewesen sein, weil da das KZ aufgelöst wurde. Die Reichswehr hatte ihren Anspruch auf das Gelände geltend gemacht. Sie musste für Hitlers Krieg üben. Einige der Häftlinge wurden in das Nachfolgelager „Oberer Kuhberg“ verlegt. Johannes Gahr war da allerdings schon frei.
Seine Frau Margarete wurde ebenfalls 1933 verhaftet sie kam in die Frauengefängnisse von Ulm und Stuttgart. Später kam sie dann nach Gotteszell, dem Frauengefängnis bei Schwäbisch Gmünd.
Johannes Gahr wurde im Januar 1939 erneut verhaftet. Am 20. Januar wurde er erhängt in seiner Zelle gefunden. Obwohl die offizielle Todesversion auf Selbstmord lautete war sich seine Frau Margarete sicher, dass ihr Mann zu Tode geprügelt wurde und der Selbstmord nur vorgetäuscht war. Vieles spricht dafür, dass sie Recht hatte.
1939 wurde Margarete Gahr erneut verhaftet. Sie wurde die ersten drei Monate im Frauengefängnis in Stuttgart gefangen gehalten und dann in das Frauenkonzentrationslager Ravensbrück gebracht.
Wir erinnern an einen mutigen Mann, der für seine Überzeugung eingetreten ist.
Wir dürfen aber nicht in der Vergangenheit stehen bleiben. Was bedeuten sein Leben und sein Tod für uns heute.
Hier in Göppingen gibt es, mit den Autonomen Nationalisten, seit einigen Jahren eine aktive, sehr aggressive Gruppe von jungen Nazis. Ich war entsetzt, als ich erfuhr, dass Mitglieder der gruppe Ende letzten Jahres eine Veranstaltung zur Aufklärung gegen Naziumtriebe besucht hat und Besucher der Veranstaltung nur unter Polizeischutz nach Hause gehen konnte. Hier in Göppingen hat sich seit einigen Jahren Angst breitgemacht. Die Stadt ist zu einer Hochburg von organisierten Nazis geworden. Es ist aber nicht nur die Stadt davon betroffen, sondern auch die Orte im Umkreis. Die Erfahrung in anderen Regionen Deutschlands zeigt, dass es viel einfacher ist Nazis daran zu hindern sich festzusetzen und ihren Terror zu betreiben, als ihnen später entgegenzutreten.
Anfang Januar haben die Autonomen Nationalisten einen Artikel über die geplanten Aktionen ins Netz gestellt. Am Ende des kleinen Artikels steht folgende Drohung: „Göppingen ist und bleibt unsere Stadt hier bestimmen wir die Regeln“. Das Ganze ist illustriert mit einem Transparent „NS-Zone“. Deutlicher können sie nicht darstellen was ihre Ziele sind. Die Errichtung eines neuen nationalsozialistischen Staats. Einem Staat, der für Millionen Menschen KZ und Vernichtung bedeutet hat.
Lasst uns gemeinsam dafür sorgen, dass die jungen und die alten Nazis in Göppingen keine Chance haben.
Wir werden weiter zu Gegendemonstrationen aufrufen, wenn die Nazis mobilisieren. Wir werden mit Aktionen zivilen Ungehorsams versuchen ihre Aufmärsche zu verhindern. Es gibt nicht nur einen Weg seinen Hass auf die Nazis auszudrücken.
Ganz wichtig ist meiner Meinung nach, dass wir die Trennung zwischen guten Kundgebungen und den Aktionen Antifaschisten aufgeben. Wenn wir nicht alle zusammen stehen können wir die Nazis nicht zurückdrängen.
Das es geht gemeinsam, mit unterschiedlichsten Formen gegen Naziaufmärsche zu demonstrieren, haben wir jetzt erst am Wochenende in Magdeburg gesehen. In der Stadt haben mehr als 10 000 Menschen demonstriert und sich an Aktionen beteiligt. Während die einen ein Fest der Demokratie in der Innenstadt gefeiert haben, haben andere die Anfahrtstrecken der Nazis und die Marschroute blockiert. Beides hat seinen Sinn und ist berechtigt und niemand hat sich in Magdeburg voneinander distanziert.
Ich möchte schon jetzt dazu aufrufen wenn die AN im 11. Oktober wieder durch Göppingen marschieren wollen mit vielfältigen und phantasievollen Aktionen den Aufmarsch zu verhindern.
Es bleibt dabei Faschismus ist ein Verbrechen und keine Meinung!
© Janka Kluge